Liebe Freunde,
Einmal mehr schreibe ich aus dem Kloster Tisarana in Kanada. Das kommt diesmal für viele von Ihnen vielleicht weniger überraschend, da Sie schon geahnt haben, dass meine Hoffnung, am 21ten April wieder in Kandersteg zu sein, zu optimistisch war. Natürlich: mein Flug wurde gestrichen. Wir haben jetzt erst einmal Mitte Mai im Visier. Wir werden sehen…
Wegen der anhaltend unsicheren Situation und der Verlängerung der vom Bundesrat beschlossenen Maßnahmen wird auch Dhammapala noch bis mindestens Mitte Mai geschlossen bleiben. Wie bereits in der letzten Nachricht erwähnt, heißt das leider auch, das unsere Vesakh Feier in Hinterkappelen ausfallen muss. Ich denke, das wird nur eine von vielen Enttäuschungen sein, die die Ausbreitung des Covid-19 Virus Ihnen dieser Tage bereitet. Die anhaltenden Restriktionen bieten sicherlich viele gute Gelegenheiten, uns in Qualitäten wie Geduld und Gleichmut, aber auch Mitgefühl, gegenseitigem Respekt und Großzügigkeit zu üben, sowie uns zu vergegenwärtigen, was für uns wirklich wichtig, was am wichtigsten ist. Das ist oft leichter gesagt als getan. Als Ermutigung und Anregung möchten wir daher an dieser Stelle zwei kleine Videos mit Ihnen teilen, in dem Luang Por Sumedho, auch er in Selbst-Isolation, in Wat Ratanawan in Thailand, einige Gedanken zum Thema mitteilt. Eine kurze Reflektion finden Sie hier; während Luang Por hier ausführlicher auf einige Fragen antwortet. Vielleicht finden Sie auch diesen Podcast mit Ajahn Khemasiri hilfreich. Er wurde vor kurzem von Ajahn Dhammasiha, dem Abt der Dhammagiri Hermitage bei Brisbane in das Internet gestellt. Dhammagiri Hermitage gehört ebenfalls als assoziertes Kloster der Ajahn Chah Waldtradition an. Sowohl der Podcast als auch die Videos sind in englischer Sprache.
Ich selbst kann mich derweil über mein verlängertes Covid-19 Exil in Kanada schwerlich beklagen. Während das Kloster hier ebenso wie Dhammapala vorerst für Besucher geschlossen, aber nichtsdestotrotz von seinen Unterstützern sehr großzügig versorgt wird, genieße ich eine recht ruhige, ausgeglichene Zeit. Einen Großteil meiner Aufgaben kann ich per Email oder Videokonferenz erledigen. So haben wir auch das Elders Council Meeting, unser zweimal jährlich zusammentreffendes inter-klösterliches Beratungsgremium, das im April in Amaravati stattfinden sollte, ganz leidlich per Videokonferenz abgehalten. Außerhalb meiner flexiblen Arbeitszeiten genieße ich neben der sehr angenehmen Gesellschaft der hiesigen Klostergemeinschaft wahlweise mit meiner Hütte auch einen sehr stillen Rückzugsort ganz am Rande sehr ausgedehnter Wälder.
Unverhofft kann ich also nun das langsame Voranschreiten des kanadischen Frühlings beobachten, der den Laubbäumen und Sträuchern nur sehr zögerlich ihre jährliche Begrünung gestattet. Nachts haben wir hier immer noch Frost. Umso lebendiger ist die Fauna geworden. Nebst Rehen, Otter, Waschbär, Streifenhörnchen und den ebenso zahlreichen wie lautstarken Vögeln, kam bei meiner Hütte, vor ein paar Tagen sogar ein junger Schwarzbär vorbei! Er blieb nicht lange, nahm mich womöglich gar nicht war und gallopierte eilig in eine andere Richtung davon.
Die Insekten – in dieser Gegend, wenn sie aktiv werden, professionelle Plagegeister – halten sich wegen der ungewöhnlich kühlen Temperaturen derzeit noch dezent zurück. Und wenn es endlich auch in Ontario wieder wärmer und der Insektenandrang extrem lästig wird, bieten sich die anliegenden Seen für Kanu-Ausfahrten an! Einige Fotos der hiesigen Umgebung können Sie in der Kopfleiste betrachten. – vor allem wieder Bäume. Man könnte etwas zugespitzt sagen: wo hier keine Bäume stehen, muss es sich um einen See handeln!
Trotz der angenehmen Umstände hier in Kanada: ich hoffe, dass es Mitte Mai mit meiner Heimfahrt klappt und ich dann Gelegenheit haben werde auch unsere monastischen Winterbesucher noch anzutreffen, bevor sie weiterziehen. Unsere Klostergemeinschaft in Kandersteg ist weiterhin in der gleichen Konstellation wie in der Winterklausur zusammen, führt aber inzwischen ein viel aktiveres Leben. Im Rahmen der Umgestaltung der Sala haben wir den neuen Bodenbelag fertiggestellt. Der alte Teppich wurde für eines der Mönchszimmer wiederverwendet. Tan Viranando ist dabei die Werkstatt auszubauen und zu modernisieren. Außerdem müssen einige Klempnerarbeiten, elektrische Reparaturen und die jährliche Überarbeitung des Feueralarms in Angriff genommen werden. Draußen wurden die Bänke aufgefrischt und Gartenarbeiten und Balkonpflanzen vorbereitet.
Wir werden dabei auch weiterhin, von einigen Langzeitgästen, die ihren Aufenthalt verlängert haben, tatkräftig vor Ort unterstützt. Und wir sind alle sehr dankbar für die vielfältigen Gaben die viele von Ihnen zum Kloster gebracht oder geschickt haben. Wir hoffen, dass es Ihnen allen gelingt auch weiterhin sicher durch die Covid 19 Zeiten zu navigieren und dass wir Sie schon bald wieder im Kloster begrüßen können.
Mit allen guten Wünschen,
Bhikkhu Abhinando